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AUSLAGERUNGEN BEI SBB INFRASTRUKTUR

GEFÄHRLICHE TENDENZ BEI DEN SICHERUNGSANLAGEN

SBB Infrastruktur möchte den Bau bzw. Umbau der Sicherungsanlagen zu einem Teil an externe Unternehmungen auslagern. Der SEV befürchtet nun, mit «Outsourcing» werden keine Probleme gelöst, sondern neue Probleme geschaffen.

Die Sicherungsanlagen bei der Bahn und deren Bewirtschaftung sind äusserst komplex und die Störungsbehebung extrem zeitkritisch, Stichwort «Stellwerkstörung». Die Systeme, die zur Überwachung und Steuerung des Zugverkehrs eingesetzt werden, sind sehr verschieden. Sie reichen von 50-jährigen Barrieren und Signalen bis hin zu modernen Hightech-Anlagen. Das hängt damit zusammen, dass sich diese Anlagen über Jahrzehnte entwickelt haben. Modernste Technologien spielen zusammen mit verschiedensten älteren Bauteilen, sowohl draussen auf den Gleisen als auch drinnen in den Kontrollanlagen. Kein Wunder braucht es eine langjährige Berufserfahrung und ein grosses Fachwissen wie auch Kenntnisse vor Ort, um dieses komplexe Zusammenspiel zu kennen und bei Notfällen die richtige Handhabung auszuführen, damit die Sicherheit gewährleistet bleibt.

FACHKRÄFTEMANGEL

Genau da liegt ein grosses Problem. Wie in vielen anderen Bereichen herrscht auch bei den Sicherungsanlagen Fachkräftemangel. Zum Teil können die gesetzlichen Vorgaben mit der Grösse der Teams nur noch mit Mühe eingehalten werden. Dieses Problem kann nicht einfach von einem Tag auf den anderen gelöst werden. Die rund 600 bis 700 Personen, die bei der SBB im Bereich Sicherungsanlagen arbeiten, haben in der Regel eine mehrjährige Ausbildung hinter sich. Eine vierjährige Berufslehre mit EFZ, zum Beispiel als Polymechaniker oder als Elektroinstallateurin, genügt hier noch nicht. Nach der Ausbildung müssen die Berufsleute zusätzlich mindestens zwei bis drei Jahre Berufserfahrung sammeln und eine zertifizierte Zusatzausbildungen abschliessen, um voll eingesetzt werden zu können und um die sogenannte Pikettfähigkeit erreichen zu können. Das ist ein Muss, denn diese Mitarbeitenden tragen eine grosse Verantwortung für die Sicherheit des Schienenverkehrs.

Jan Weber, Zentralpräsident des SEV-Unterverbands Bau und selbst Sicherungsanlagen-Cheftechniker bei der SBB, bringt es auf den Punkt: «Qualifizierte Fachkräfte sind überall gefragt, und folglich sind in den letzten Jahren insbesondere in der Privatwirtschaft die Löhne gestiegen. Hier hat die SBB auf allen Ebenen den Anschluss verpasst. Man hat das Gefühl, die SBB meine immer noch, man käme gerne zur SBB arbeiten, weil die SBB so erstklassige Leistungen bietet. Das ist leider nicht so.» Das bedeutet nicht nur, dass Fachkräfte nicht mehr zur SBB kommen wollen, sondern auch, dass Fachkräfte, die bei der SBB ausgebildet wurden, diese in Richtung Privatwirtschaft verlassen.

Der externe Einkauf von Bestandteilen einer Sicherungsanlage wird schon lange praktiziert. Um aber diese Bestandteile in die komplexe Sicherungsanlageninfrastruktur zu integrieren, zu betreiben und zu unterhalten, braucht es ein Fachwissen, dass nur bei der SBB vorhanden ist. Eine externe Unternehmung kann dieses Fachwissen nur teilweise generieren und meistens nur dann, wenn sie Leute direkt von der SBB abwirbt. SEV-Gewerkschaftssekretär Urs Huber formuliert es so: «Fachleute findest du vor allem im Topf der SBB, und dieser Topf wird schon jetzt leerer.» Jan Weber ergänzt: «Nun sagt die SBB also: Drittfirmen, bedient euch!» Und das birgt ein enormes Frustrationspotenzial bei den SBB-Angestellten. Leute, die schon jetzt überlastet sind, werden plötzlich dazu gezwungen, Externe auszubilden. Hinzu kommt, dass die Externen keine Gesamtverantwortung übernehmen. Oder wie es Jan Weber ausdrückt: «Auf dem Papier oder in den Präsentationen der Projektverantwortlichen sieht alles rosig aus. Spricht man aber mit der Basis, welche die Beschlüsse von oben ausbaden muss, merkt man, wie der Frust wächst.»

GEFÄHRLICHE TENDENZ

«Wenn wir die Qualität und Sicherheit aufrechterhalten wollen, muss das eigene Personal gestärkt und nicht Personal und Kompetenzen bei externen Firmen aufgebaut werden», sagt Urs Huber. Der SEV ist grundsätzlich kritisch bei Vergabe von ganzen Umbauten an Dritte. «Noch vor zwei Jahren versicherte die Leitung SBB Infra, Arbeiten für Sicherungsanlagen blieben dabei intern, sie seien zu heikel und es gehe ja auch um die Sicherheit. Wenn jetzt bewusst extern Ressourcen aufgebaut werden, ist das fahrlässig.» Die Befürchtung steht auch im Raum, diese Entwicklung könnte dazu führen, dass die hohen Sicherheitsanforderungen abgeschwächt werden, damit Externe gewisse Aufgaben übernehmen dürfen, die sie heute nicht bewältigen können. «Es kann nicht sein, dass plötzlich das Sicherheitsniveau heruntergeschraubt wird. Sollte die SBB in diese Richtung gehen, werden wir das auf allen möglichen Ebenen bekämpfen», sagt Urs Huber, «denn beim Thema Sicherheit verstehen wir keinen Spass.»

Da die SBB selber schon weiss, dass sie über Jahre einen erhöhten Bedarf an Personal im Bereich Sicherungsanlagen hat, warum stellt sie dieses dann nicht selbst ein und bildet es aus? Somit hätte sie einerseits genügend ausgebildetes Personal, und andererseits hätten die Flächen für die normalen Fluktuationen bereits Fachkräfte, die entstehende Lücken füllen können. Gerade im Bereich der Sicherungsanlagen wäre eine langfristige Personalplanung von entscheidender Wichtigkeit.

 

Ins eigene Personal investieren statt auslagern

Kommentar von SEV-Gewerkschaftssekretär Urs Huber, Leiter SEV-Team Infrastruktur

Die Pläne und Kommunikation der SBB haben bereits zu grossen Diskussionen und Unverständnis bei Mitarbeitenden, Basiskadern, aber auch Kollegen und Kolleginnen aus Planung und Projektierung geführt. Fakt ist, es gibt aktuell einen internem Fachkräftemangel. Manche Teams haben Probleme, überhaupt noch pikettfähig zu sein etc. Wenn in einer solchen Situation eine Kommunikation eintrifft, die auffordert, beim Aufbau von Drittfirmen mitzuhelfen, ist das ein absoluter Affront.

Schon mehrere Male haben wir bei Treffen mit SBB Infrastruktur unsere Vorbehalte gegenüber der Stossrichtung der Verantwortlichen für die Sicherungsanlagen dargelegt. Statt zu bremsen und zu hinterfragen, scheint man aber um jeden Preis in die Wand fahren zu wollen. Für den SEV ist klar, mit der Auslagerung der Bewirtschaftung von Sicherungsanlagen begibt sich die SBB in ein gefährliches Fahrwasser. Statt solche Pläne weiterzuverfolgen, sollte sich die Unternehmung darum kümmern, dass die Arbeitsbedingungen beim Fachpersonal verbessert werden. Die grosse Verantwortung, welche diese Menschen tragen, muss wertgeschätzt, nicht ausgelagert werden.