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GENUG IST GENUG

B100-LOKPERSONAL FORDERT MEHR ANERKENNUNG

Einstimmiges Ja zur Resolution für rasche, deutliche monetäre Verbesserungen für B100 bei Infra.

Zu viele zusätzliche Aufgaben, schlechte Bezahlung und wenig Wertschätzung – diese Themen brennen den über 40 Teilnehmenden an der vierten B100-Tagung in Bern unter den Nägeln.

«Wenn man ständig durch die vielen Telefonate oder die Anwendungen auf dem Tablet abgelenkt ist, sieht man nicht, wenn der TFF indirekt aus dem Berner Raum aussteigt, dass sich ein Zug auf dem Nachbargleis nähert oder eine andere Gefahr droht», beschreibt Philippe Schibli, Mitglied des Zentralausschusses des Unterverbands BAU, eine typische Situation. Schibli ist selbst Triebfahrzeugführer (TFF) B100 und ist Betreuer für Mitarbeitende mit einer TFF-Funktion. Während die Lok stillsteht, hat der TFF unter anderem die Aufgabe, die Situation vor Ort im Bahnhof oder auf der Strecke zu überwachen und zu überblicken. «Falls ein Schnellzug kommt, warne ich meinen Kollegen, der zum Beispiel Wagen abhängt – damit er nicht überrascht und allenfalls erfasst wird.» Die zunehmende Nutzung von Apps und die damit einhergehende dauernde Ablenkung gefährde die Sicherheit, warnen die Triebfahrzeugführer von SBB Infrastruktur.

FEHLENDE ANERKENNUNG TROTZ HOHER VERANTWORTUNG

Die Schilderungen Schiblis decken sich mit den Erfahrungen vieler Kolleginnen und Kollegen, die am 10. Oktober im Hotel Bern über die Situation in ihrem Berufsalltag diskutierten. In Arbeitsgruppen sammelte man die dringendsten Anliegen. Im anschliessenden Plenum wurden die Teilnehmenden deutlich:

«Wir sind längst Sicherheitschefs mit Zusatzfunktionen – und nebenbei noch Lokführer», fasst ein Teilnehmer zusammen. Ein anderer ergänzt: «Die Ausbildung entspricht nicht mehr der Realität. Am Ende tragen wir aber die volle Verantwortung».

Viele Bauzugführer sind überzeugt, dass ihr gewissenhaftes Arbeiten bislang schwere Vorfälle verhindert hat. Dennoch fehlt es an Anerkennung – sowohl ideell als auch finanziell. «Ich habe mich nicht als Gleismonteur beworben, und wir sind auch keine Gleismonteure mit Zusatzaufgaben», betont ein Lokführer deutlich.

Die Stimmung im Saal macht klar: Die Belastung der B100 ist enorm. Trotz wachsender Verantwortung verdienen sie deutlich weniger als ihre als Fahrpersonal anerkannten Berufskollegen. Besonders frustrierend: Zugemietetes Personal privater Baufirmen erhält teils deutlich höhere Löhne – obwohl die SBB-Angestellten mehr Kompetenzen haben, mehr Zusatzaufgaben ausführen müssen und letztlich die Verantwortung tragen müssen. Die ungleichen Bedingungen verstärken den Unmut zusätzlich.

SBB SPART – B100 BLEIBEN AUF DER STRECKE

«Bei SBB Cargo konnte mit Einführung der neuen Berufsbilder per 1. Januar 2023 nach aufwändigen Verhandlungsprozessen die Einreihung ins höhere Anforderungsniveau erreicht werden», hält Philipp Hadorn fest, der als SEV-Gewerkschaftssekretär u. a. für SBB Cargo zuständig ist. Während übrige «Fahrende» bei der SBB eine Tagespauschale erhalten, unterliegen die B100-Lokführenden bei SBB Cargo dem ordentlichen Spesenregime. Die eingeforderte Gleichbehandlung aller Fahrenden wurde bisher seitens SBB Cargo und Konzern abgelehnt. Allerdings folgte der Zuruf, spezielle Situationen in den Regionen nochmals anzuschauen. So gelang ein bemerkenswerter Teilerfolg aufgrund des Engagements in der Romandie.

Darüber informierte SEV-Gewerkschaftssekretär Vincent Barraud: Nach Aktionen, einer Petition mit über 200 Unterschriften und einer offiziellen Anhörung gibt es einen ersten Erfolg: Übernehmen B100-Lokführende «B-Touren», wird die Tagespauschale gewährt. Doch das Grundproblem bleibt bestehen: Die B100 sind nach wie vor nicht als Fahrpersonal anerkannt. Philipp Hadorn fügt an: «Es zeigt sich, dass bei einem gemeinsamen Aufstehen und hartnäckigem Dranbleiben für berechtigte Anliegen auch Schritt für Schritt Erfolge erzielt werden können.»

«Die kommenden Jahre werden hart – aber wir geben nicht nach», betonte Patrick Kummer, Vizepräsident SEV und Leiter der Verhandlungsgemeinschaft, in seiner Ansprache. Die SBB spare an allen Ecken und Enden, um ihre Sparziele zu erreichen. Selbst kleinste Beträge – «Tröpfchen auf den heissen Stein», wie Kummer es nennt – werden unter die Lupe genommen. Doch jede Kürzung trifft schliesslich jene Kolleginnen und Kollegen, die täglich dafür arbeiten, dass die Bahn fährt.

RESOLUTION VERABSCHIEDET,MEHR DRUCK GEFORDERT

Der SEV will diesen Sparkurs dort stoppen, wo er untragbar ist, und fordert spürbare finanzielle Verbesserungen. Die laufende Sparpolitik hat Auswirkungen auf die laufenden BAR-Verhandlungen und dürfte auch die aktuell bevorstehenden Verhandlungen zu den GAV-Verbesserungen erschweren. «Finanzielle Verbesserungen lassen sich schwierig durchsetzen, wenn der Konzern überall die Sparschraube weiter anzieht», so Kummer.

Am Ende der Tagung waren sich die Teilnehmenden einig: Es braucht mehr Druck. Michael Buletti, SEV-Gewerkschaftssekretär und verantwortlich für die Infrastruktur SBB, brachte es in einer Resolution auf den Punkt: «Die bisherigen Lösungen sind unzureichend. Die Mitarbeitenden tragen seit Jahren erhöhte Verantwortung, bringen umfassende Kompetenzen mit und übernehmen immer mehr Zusatzaufgaben – ohne angemessene finanzielle Anerkennung. Es ist höchste Zeit, diese Leistungen zeitnah angemessener und marktüblich zu entlohnen.»

Die Resolution fordert eine nachhaltige und deutliche monetäre Verbesserung für alle B100-Funktionen bei I-VU und Intervention sowie eine rasche Umsetzung der Massnahmen. Sie wurde einstimmig angenommen und wird der Leitung Infrastruktur SBB zeitnah übergeben werden.

Renato Barnetta