| Aktuell / SEV Zeitung, 1. Mai

HERAUS ZUM 1. MAI

SOLIDARITÄT STATT HETZE!

«Am Ersten Mai – Gehn Vater und Mutter in einer Reih’ – Kämpfen für ein bessres Leben. – Fron und Armut darf’s nicht geben: – Da sind wir auch dabei.» Dieses schöne Lied von Bertolt Brecht und Hanns Eisler handelt von Solidarität, Zusammenhalt, Gemeinsamkeit. Am 1. Mai geht es seit über einem Jahrhundert um Solidarität, Zusammenhalt, ein gutes Leben und – last, but not least – anständige Arbeitsbedingungen. 1886 ging die amerikanische Arbeiterbewegung am 1. Mai auf die Strasse, um für den Achtstundentag zu kämpfen. Seit 1890 feiert die Gewerkschaftsbewegung den 1. Mai und kämpft dafür, dass die, die schwächer sind, nicht allein gelassen werden. Es geht darum, einander zu unterstützen und um ein menschenwürdiges Leben «für alle Menschenkinder».

In diesen Zeiten ist es wichtig, sich daran zu erinnern, denn seit Extremistinnen und Populisten auf dem Vormarsch sind, ist es vielerorts vorbei mit Zusammenhalt und Solidarität. Geht uns das in der Schweiz etwas an, wenn um uns herum und in den USA Demokratie, Menschenrechte und Solidarität in den Staub getreten werden? Das fragen sich manche. Die Antwort ist Ja. Wir sind mittendrin. Schweizer Spitzenpolitikerinnen und -politiker zeigen offen ihre Bewunderung für Trump, Vance und andere Anti-Demokraten. Deshalb ist es wichtig, ein klares Zeichen zu setzen, dass wir als Gewerkschaft für Solidarität stehen – und gegen Hetze.

Hetze hat viele Gesichter: Meist ist sie eine hässliche Fratze, die uns begegnet, wenn wir den Hass dieser Leute sehen und spüren. Wenn diese Leute gegen alles Fremde, gegen unsere Kolleginnen und Kollegen mit einer anderen Haar- oder Hautfarbe oder mit dem «falschen» Glauben oder mit einer besonderen Neigung hetzen, dann hetzen sie gegen jede und jeden von uns. Sie hetzen gegen Solidarität. Hass und Hetze sind unsolidarisch, sie spalten. Der Hass gegen alles, was anders ist, schürt Destruktion, Aggression und Gewalt. Wir als Gewerkschaft aber stehen für das Gegenteil: Wir stehen für Solidarität, für Gleichberechtigung, für Demokratie, Frieden und Respekt.

Wir stehen ein für Respekt für die Kolleginnen und Kollegen, die in Bussen, Trams, auf Schiffen, am Flughafen und in Zügen Menschen und Güter zuverlässig und sicher von A nach B transportieren und begleiten. Deshalb fordern wir nicht nur «Solidarität statt Hetze», sondern auch: «Stopp Gewalt – mehr Respekt für das Personal».

Matthias Hartwich, Präsident SEV

Auch der SEV ist am 1. Mai vielerorts präsent. In Bern treffen sich SEV-Mitglieder um 16 Uhr beim Zytglogge, um am Umzug teilzunehmen. In Zürich gibt es um 9 Uhr Kaffee und Gipfeli im Regionalsekretariat für alle SEV-Mitglieder, die am 1. Mai-Umzug teilnehmen. In Chur spricht SEV-Präsident Matthias Hartwich (17 Uhr), in Brugg LPV-Präsidentin Hanny Weissmüller (17.30 Uhr), in Burgdorf AS-Bern-Präsident Manfred Schaffer (17 Uhr), in Biel SEV-Gewerkschaftssekretärin Stefanie Fürst (12 Uhr) und in St. Gallen SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (17 Uhr). Mehr Veranstaltungen unter erster-mai.ch

135 Jahre Kampf für den Achtstundentag

Im Jahr 1890 gingen Gewerkschaften weltweit zum ersten Mal auf die Strasse. Demonstrationen, Streiks und Widerstand waren damals voller Gefahren. Das Ziel damals (wie auch heute): der Allgemeine Achtstundentag für alle Menschen, die von ihrer Arbeit leben müssen. Die Idee dahinter: acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit mit Familie, Freund:innen und Kolleg:innen, acht Stunden (Nacht-)Ruhe. Aufgerufen zum «Tag der Arbeit» hatte die Zweite Internationale im Jahr 1889. Es ging – und es geht – um ein Leben in Würde, es geht um angemessene Arbeitsbedingungen. Dieser Weg ist nie zu Ende, deshalb gehen wir auch im Jahr 2025 wieder auf die Strasse.

Die Vorgeschichte: Schon 1856 hatten in Australien Arbeiter für den Achtstundentag gestreikt. 1886 wurde in den Vereinigten Staaten für das Jahr 1886 am 1. Mai zu einem Generalstreik aufgerufen. Vom 1. bis 3. Mai 1886 streik-ten viele Arbeiter:innen in Chicago. Am 3. Mai abends schoss die Polizei in die Menge, zwei Arbeiter starben. Anderntags kam es zu bürgerkriegsähnlichen Szenen. Sieben Polizisten, etwa 20 Streikende starben und mindestens 200 Demonstrierende wurden verletzt. Wegen des Ortsnamens wurden die ereignisreichen Tage später «Haymarket-Unruhen» genannt. Im Gedenken an diese Auseinandersetzungen hatte die Zweite Internationale den 1. Mai als «Kampftag» ausgerufen.

Seit 1890 also sind Gewerkschaften am 1. Mai auf der Strasse – und werden es auch weiter sein. Seit 1919 propagiert die erste Konvention der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) in Genf den generellen Achtstundentag. Immer noch nicht Realität, der Kampf geht weiter.