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LOHNVERHANDLUNGEN 2022

MEHR LOHN DANK DEM SEV

Die Lohnverhandlungen 2022 sind weitgehend beendet, und dies überwiegend mit Resultaten, die sich sehen lassen: Der SEV hat Lohnerhöhungen von mindestens 3 Prozent erreicht. In einigen Unternehmungen, in denen stark mobilisiert wurde, war das Resultat noch besser. Vizepräsident Christian Fankhauser und die Gewerkschaftssekretär:innen ziehen Bilanz.

Während Jahren war die Teuerung null oder sogar negativ. Im Jahr 2022 änderte dies bekanntlich mit stark gestiegenen Preisen bei den Grundnahrungsmitteln, der Energie und den üblichen, jährlichen Prämienerhöhungen bei den Krankenkassen.

Christian Fankhauser, mit mindestens dreiprozentigen Lohnerhöhungen im öffentlichen Verkehr ist die durchschnittliche Erhöhung positiv ausgefallen, oder?

Die Lohnrunde vom Herbst 2022 ist noch nicht in allen Unternehmungen abgeschlossen, aber seit langer Zeit war die Teuerung wieder ein Diskussionspunkt. Wir können mit diesen mindestens dreiprozentigen Lohnerhöhungen zufrieden sein, da sie sehr nahe an der effektiven Teuerung liegen. Die Erhöhungen sind hauptsächlich den gestiegenen Lebenshaltungskosten geschuldet, auf die mit generellen Lohnerhöhungen, Prämien oder Einschüssen in Lohnsysteme mit automatischen oder teilautomatischen Anstiegen reagiert wurde. Letzteres zeigt, wie wichtig solche Systeme sind. Obwohl wir in einigen Modellen mehr Transparenz benötigen; diese ist nicht überall garantiert.

Darüber hinaus sind in einigen Unternehmungen auch die Lohnbänder erhöht worden, was mindestens bei automatischen Anstiegen zu nachhaltigem Lohnwachstum führt.

Bei gewissen Unternehmungen sind die Erhöhungen gegen 5 Prozent, bei der Schifffahrt des Vierwaldstättersees sogar gegen 7 Prozent für einige Mitarbeitende ausgefallen. Wie wertest du diese ausserordentlichen Resultate ? 

Es gibt mit Sicherheit einen Zusammenhang zwischen Mobilisierung und Lohnresultat. Manchmal ging es bei den Mobilisierungen gar nicht in erster Linie um die Löhne, aber der Druck hat ein besseres Resultat begünstigt. Hier sind vor allem die Freiburgischen Verkehrsbetriebe (TPF) zu nennen, bei denen es in den letzten zwölf Monaten Spannungen wegen der GAV-Verhandlungen gab, sowie die TL in Lausanne. Dort war das Arbeitszeitmanagement (ATT) des fahrenden Personals in Frage gestellt worden, was dazu führte, dass die betroffenen Fahrer:innen reihenweise dem SEV beitraten und sich mobilisierten.

Im Fall der Schifffahrtsgesellschaft Vierwaldstättersee hat die Unternehmung für verschiedene Funktionen die Löhne gegen 6,8 Prozent erhöht. Dies einerseits, weil es 2022 ein ausserordentliches Passagieraufkommen gab, und andererseits, weil das Unternehmen Schwierigkeiten hat, Personal zu rekrutieren.

Bei den Unternehmungen, die noch keine oder nur spärliche Massnahmen getroffen haben, wird teilweise mit dem Veto des Kantons argumentiert. Sind ihnen wirklich die Hände derart gebunden? 

Es gibt Unternehmungen, die sich dort, wo die Kantone tatsächlich bei den Ausgaben für den Regionalverkehr sparen wollen, hinter dieser Politik verstecken. Diese bedeutet aber nicht, dass die Kantone den Unternehmungen Teuerungsausgleiche verbieten, die höher sind als jene der kantonalen Angestellten. Es ist einer Unternehmung sicher möglich, die Sparvorgaben des Kantons zu respektieren, ohne den Angestellten die erhöhten Lebenshaltungskosten einfach aufzubürden. Denn nicht zu vergessen sind die Krankenkassenprämien, die seit über zwanzig Jahren ständig ansteigen und die im Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) nicht mitgerechnet werden.

Es gibt GAV, die eine Bindung des LIK an die Löhne enthalten …

Tatsächlich enthalten gewisse GAV diese Bindung. Allerdings nicht absolut, denn oft wird festgehalten, dass die wirtschaftliche Lage der Unternehmung dabei zu berücksichtigen ist. Immerhin haben wir in zwei Fällen die kantonale Schlichtungsstelle angerufen und gewonnen: in Genf bei den TPG und in Lausanne bei der TL. Für die Kaufkraft unserer Mitglieder bieten solche Bindungen zweifellos eine nicht unwichtige ökonomische Sicherheit.

Auf der anderen Seite haben Automatismen die Folge, dass nicht verhandelt wird. Damit ist das Engagement der Mitarbeitenden für gute Arbeitsbedingungen nicht notwendig, was gegen unsere Überzeugung der Partizipation spricht.

Im GAV der SOB gibt es ein anderes, interessantes Modell: Wenn es trotz aller Diskussionen nicht zu einer Einigung kommt – Schiedsgericht inbegriffen –, fällt die Friedenspflicht weg. Dann darf gestreikt werden.

Wenn du in die Zukunft blickst, was kommt dir dabei zu künftigen Lohn- und Vertragsverhandlungen im öffentlichen Verkehrsbereich in den Sinn? 

Ich komme zurück auf den Zusammenhang zwischen guten Resultaten und Mobilisierung und stelle fest, dass der Einbezug der Mitarbeitenden bei Verhandlungen notwendig ist.

Es ist absolut nötig, dass das Personal zuerst seine Mitsprache bei den Forderungen wahrnehmen kann und dass es regelmässig und umfassend über den Stand der Verhandlungen informiert wird. Nur so kann es entscheiden, was zu tun ist, um die Verhandlungen zu beeinflussen. Dieser Einbezug ist unser Markenzeichen. Unser Slogan «Du entscheidest» ist der Beweis dazu. Umgesetzt werden kann dies beispielsweise auch mit mehr Umfragen, ohne dass dies die Wichtigkeit von Versammlungen schmälert.

Man kann sich auch vorstellen, dass ein Nein zum Verhandlungsresultat mit der Frage verknüpft wird, was der oder die Einzelne bereit ist zu tun, um das Kräfteverhältnis in den Verhandlungen zu ändern.

Ja oder Nein zu sagen ist wichtig. Sagen, was man bereit ist zu tun, ist ein stärkerer Einbezug. Und eine grundsätzliche Voraussetzung des Erfolgs.

Vivian Bologna / Übers.: Barbara Spalinger
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